Bengt Bergt vertritt als Mitglied des Bundestages den Wahlkreis 8 Segeberg/Stormarn-Mitte in Schleswig-Holstein. Etwas überraschend hatte sich der Energieexperte 2021 durchgesetzt, diesen Erfolg will Bergt wiederholen. Die Voraussetzungen sind schwierig, denn im Bund liegt die SPD in den Umfragen deutlich hinter dem Ergebnis von 2021 zurück.
Im Interview spricht er über seine Erfahrungen mit der Ampel, die Herausforderungen des verkürzten Bundestagswahlkampfs, den anstrengenden Politikbetrieb in Berlin und seine Motivation, sich politisch zu engagieren.
Das ist Bengt Bergt:
Jahrgang 1982, in Luckenwalde geboren, studierte in Magdeburg und Flensburg. Als technischer Redakteur, Übersetzer und Betriebsrat arbeitete er bei einem mittelständischen Unternehmen in der Windenergie. Bengt Bergt ist seit 2021 Mitglied des Deutschen Bundestages. Unter anderem sitzt er in den Ausschüssen für Klimaschutz und Energie, Arbeit und Soziales und Petitionen.
Bengt Bergt ist seit 2021 Mitglied des Deutschen Bundestages. Foto: Marc Dominique Krampitz
Warum engagieren Sie sich politisch, was ist Ihre Triebfeder?
Bengt Bergt: Das ging in der Schule schon los. Ich war Abisprecher, da gibt es ja immer jemand, der die Rede halten muss, ich wurde gewählt. Dann bin ich zum Bund gegangen und wurde Mannschaftssprecher. Dort hab ich dann schon geschaut, dass es den Kameraden gut geht. Und das zog sich irgendwie durch. Wir haben in der Familie eine lange SPD-Tradition. Genossenschaft, Kameradschaft ist ja relativ deckungsgleich. Das passt ganz gut zusammen. Und dann war das irgendwann auch ein logischer Schritt, sich für seine Kollegen im Betriebsrat zu engagieren. Auch als Führungskraft habe ich versucht, jemand auf Augenhöhe zu sein. Geht nicht immer, manchmal muss man halt ein paar Sachen einfach durchdrücken, das ist so. Aber trotzdem kann man's ja vernünftig gestalten. Und dann kam der Ruf der Politik, ich habe die Möglichkeit bekommen, für meine Branche was zu machen, weil die Windbranche wegen regulatorischen Änderungen sehr gelitten hat.
Der Wahlkampf zur Bundestagswahl 2025 ist sehr. Wie läuft es für Sie?
Bengt Bergt: Organisatorisch ist das eine Herausforderung, aber ich kann grundsätzlich alles machen, was ich möchte. Zum Beispiel habe ich eigene Flyer bestellt, bevor die offiziellen da waren. Sonst wären wir nicht rechtzeitig beliefert worden. Es gibt 299 Wahlkreise in Deutschland. Da treten im Schnitt jeweils vier Parteien an. Und die wollen alle die Stadt und den Ort zupflastern. Die Druckereien werden sicher ein bisschen ins Schwitzen kommen.
Wie sieht Ihr Wahlkampf praktisch aus?
Bengt Bergt: Mit unserem VW-Bully fahren mein Team und ich durch Deutschland, hauptsächlich sind wir in Berlin und in meinem Wahlkreis unterwegs. Außerdem haben wir zwar eine SPD-Standard-Website, aber mit einer sehr individuellen Gestaltung. Das Wichtigste ist, das wir Anfragen schnell beantworten. Das haben wir ganz gut im Griff momentan. Wir hatten ehrlicherweise auch eine Zeit lang Schwierigkeiten. Ich bin ja Berichterstatter für Erdgas-Infrastruktur und für erneuerbare Energien. Als die Russen das Gas abgestellt haben, war das wirklich hardcore stressig. Da sind wir nicht hinterhergekommen. Aber jetzt haben wir das alles gut im Griff.
Wie groß ist Ihr Team?
Bengt Bergt: Im Wahlkreis unterstützen mich drei und in Berlin vier Menschen. Da wir kein Büro mehr haben, sind wir jetzt oft gemeinsam im Bully unterwegs.
Wie sieht jetzt Ihr Tagesgeschäft im Wahlkampf aus?
Bengt Bergt: Normalerweise verlasse ich um 8 Uhr das Haus und komme um 22 Uhr wieder. Wir haben Termine mit Firmen, Vereinen oder Privatleuten im Wahlkreis. Der ist ja ziemlich groß, wir versuchen trotzdem immer so fünf bis sechs Termine am Tag zu schaffen, das geht nicht immer. In Berlin ist es meist noch knackiger, da sind wir im Schnitt bei einer 80-Stunden-Woche. Weil Wochenende haben wir ja nicht.
Teilen Sie sich die Woche auf? 50 Prozent Berlin, 50 Prozent Wahlkreis?
Bengt Bergt: Das ist immer unterschiedlich. Zum Beispiel hatten wir im Oktober drei Sitzungswochen. Zwar nicht am Stück. In Berlin geht es aber dann doch gerne auch mal von 8 bis 23 Uhr, das ist nochmal ein anderer Stresslevel. Hier sind wir ja zu Hause, das hat schon was für sich. Aber in Berlin, ich mein, da hab ich auch ein Bett, so ist es nicht, aber es ist schon noch was anderes. Man ist halt dort allein, legt sich ins Bett, steht auf, frühstückt und geht wieder los. Trott. Und hier hat man halt noch jemanden zu quatschen zu Hause, oder vielleicht auch eine Mietzekatze.
Verträgt sich so ein hoher Zeitaufwand mit Ihrem Privatleben?
Bengt Bergt: Zurzeit ist alles in Ordnung, ich habe eine Freundin. Vorher war ich verheiratet, die Ehe hat das Mandat aber nicht überlebt. Ich hatte zu viel Druck, also zur Zeit der Gaskrise und als das alles so wichtig wurde, hat mein Privatleben das nicht verkraftet.
Wie regenerieren Sie?
Bengt Bergt: Ich versuche im Sommer für zwei Festivals ringsherum freizumachen. Aber das klappt meist nicht so richtig. Als Politiker habe ich ja keinen Urlaub, sondern bin halt nur nicht da, erreichbar bin ich ja immer. Vergangenes Jahr hat es geklappt, dieses Jahr war aber wirklich massiv, es gab einfach so viele Gesetzesvorhaben.
Und können Sie dann auch richtig abschalten?
Bengt Bergt: So richtig nicht. Eine Woche waren wir in Griechenland, zwischendrin hatte ich einen Call, der hat dann alles kaputt gemacht.
Den konnte niemand übernehmen?
Bengt Bergt: In dem Fall war es so, dass die Berichterstattung bei mir lag. Und wir hatten nur einen Slot, den ich nicht selber bestimmen konnte. Da sind wir als Politiker ziemlich schmerzbefreit. Und das wirkt auch immer wieder in unser Privatleben rein. Das ist ärgerlich, aber gehört dazu. Genauso, wie wir am Wochenende auch Absprachen treffen, telefonieren. Das gehört dazu, ist ganz normal.
Das kann doch nicht gesund sein, oder?
Bengt Bergt: Mir ist schon klar, dass das auf lange Sicht zehrt. Ich kenne ja nun einige Politiker, die das schon sehr, sehr lange machen. Die berichten, dass diese Legislatur die heftigste war, die sie je erlebt haben. Durch die multiplen Krisenlagen, die massiven Reformen, die wir gemacht haben, Bürgergeld, Krankenhausreform, erneuerbare Energie. Wir stellen jetzt das zweitgrößte Stromsystem der Welt um. Mal eben so. Das sind ziemlich krasse Themen, die auch besondere Anstrengungen erfordern.
Haben Sie immer so viel gearbeitet? Sieben Tage, 24 Stunden, immer erreichbar?
Bengt Bergt: (schmunzelt). Naja, reingeplumpst quasi, ins tiefe Wasser und dann freigeschwommen und Gas gegeben. Geht nicht anders. Ich war ja vorher Betriebsratsvorsitzender und habe über die Arbeitszeiten meiner Kollegen gewacht. Jetzt mache ich selbst exakt das Gegenteil von dem. Ich war aber schon immer der Meinung: wenn es halt länger dauert, dauert es halt länger. In dem Mandat war einfach klar, das sind jetzt neue Regeln. Wir haben mega Herausforderungen, wirklich krasse Dinge. Und das muss jetzt gemacht werden, Punkt aus. Und ich habe immer versucht, meine Mitarbeitenden zu schützen. Gerade in Berlin gibt es eine enorm hohe Loyalität der Mitarbeiter. Die gehen halt wirklich erst, wenn alles fertig ist oder wenn man sagt, jetzt ab, raus. Deswegen machen das auch viele Leute nicht so lang. Und wenn sie es länger machen, sind sie in der Regel nicht in festen Beziehungen. Das hat seine Gründe.
War der Bundestag für Sie ein Ziel?
Bengt Bergt: Viele haben mir häufig gesagt, dass sie das immer vermutet haben, dass ich da irgendwann lande. Als ich dann sagte, ich trete an, meinten viele: Das wird schon, da gehörst du hin. Aber für mich war das gar nicht so. Ich war ja Betriebsratsvorsitzender hier bei einer großen Firma und eigentlich sehr zufrieden. Bundes- oder Europapolitik hat mich schon interessiert. Die großen Linien, die natürlich auch sehr detailreich sind, das ist sehr meins: längerfristige Planung. Das soll jetzt wirklich nicht despektierlich klingen gegenüber der Lokalpolitik, die enorm wichtig ist. Ohne die sind wir verloren, auch als Bundespolitiker. Aber das war nicht so meins. Und deswegen hat mir das sehr gepasst, dass 2021die Möglichkeit bestand, für den Bundestag zu kandidieren. Was ja auch nicht so einfach war. Ich hatte vier Konkurrenten, und habe mich durchgesetzt.
Wie haben Sie das geschafft?
Bengt Bergt: Ich glaube durch mein klares Profil: Gewerkschaft, Betriebsrat, Erneuerbare Energien, Arbeiterkind. Ich war auch ein bisschen kerniger im Ton, als die anderen. Es wird ja nicht nur die Programmatik gewählt, sondern auch die Person, das muss ja passen. Im Wahlkampf für die Wahlkreiskandidatur war Corona, es gab also keine Hallen. Wir waren insgesamt fünf Kandidierende und haben die Ochsen-Tour durch die Ortsvereine durchgemacht. Oftmals waren es auch nur Online-Meetings, dass man wirklich nur als kleine Kachel auftauchte. Und dann gab es tatsächlich die Möglichkeit, dass wir hier in Norderstedt eine Halle mieten konnten, um den Kandidierenden für den Wahlkreis aufzustellen. Das hat dann für mich funktioniert. Ich war auch etwas überraschend, ehrlicherweise.
Im Grunde sind Sie ja von Ihrem Lebenslauf ja auch ein Prototyp der SPD.
Bengt Bergt: Wir haben in der SPD super viele Juristen und Lehrer in der Fraktion. Die kommen halt eher aus dem sehr gebildeten Kreis. Meine Sprache ist eher ein bisschen schnoddriger, das weiß ich auch. Und ich bin auch ein bisschen direkter und mein Humor ist manchmal so, dass alle schon sagen, Gott, das darfst du doch nicht laut sagen. Warum nicht? Wir sprechen doch alle über dasselbe Problem. Wir haben sowieso zu viele Juristen im Bundestag und Steuerberater ohne Ende. So ist dann auch die Gesetzgebung mit ihren sehr, sehr spezifischen Regelungen.
Bei dieser ganzen Belastung und bei aller Dramatik, die Ihr Beruf für Ihr Privatleben hatte: Was treibt Sie an?
Bengt Bergt: Als MdB erlebe ich seit 2021 die personifizierte Selbstwirksamkeit. Gerade in meinem Bereich ist irre viel passiert: zum Beispiel die Regelungen für die Beschleunigung von erneuerbaren Energien und Netzausbau. Wir haben jetzt mehr grünen Strom im Netz, wir haben mehr Netze. Firmen warten auf „meine“ Gesetzgebung und dann konnte ich anrufen und sagen, okay, ist jetzt durch, dann sind die mit den Baggern losgefahren. Das ist die absolute Selbstwirksamkeitserfahrung. Betriebsräte aus der Windbranche laden mich ein und die sagen mir, geil, wir kriegen wieder Aufträge rein. Das geht voran, die Geschäftsleitung kommt um die Ecke, wir haben wieder eine schwarze Null, es geht wieder bergauf, also das merkt man dann, da kann man wirklich was für Menschen tun. Und das ist nur der wirtschaftspolitische Teil. 6,5 Millionen Leute waren in einem Mindestlohn von 9 Euro. Denen konnten wir helfen. Dass sie uns nicht wählen, ist doof, das haben wir verkackt, weil wir da einfach nicht gut kommuniziert haben. Aber unsere Entscheidungen sind sehr, sehr wirksam. Deswegen mache ich das.
Sehen Sie das so, dass die Arbeit der Ampel nicht gut kommuniziert worden ist?
Bengt Bergt: Auf jeden Fall, die Parteispitze und die Bundesregierung, die haben sich ja gegenseitig zerfleischt. Also ein Lindner, der sich hinstellt, nachdem man eine Einigung getroffen hat, wartet, bis der Kanzler schön weit weggeflogen ist nach China und dann sagt, ja, das gucken wir uns alles nochmal an. Das ist ein Move, der geht nicht. Und das passiert immer wieder und das verunsichert die Leute und sagen, die streiten ja eh nur. Dabei haben wir ziemlich viele coole Sachen gemacht. Und die Leute sagen mir: „Ich habe Angst vor Krieg.“ Ja, verstehe ich. Ist alles teurer geworden? Ja. Hast du mehr Geld bekommen? Ja. Das liegt übrigens an der Ampel.
Woran liegt das aus Ihrer Sicht?
Bengt Bergt: An einer "gefühlten Wahrnehmung“, die haben wir wirklich aus der Hand gegeben. In Norderstedt sollte es zum Beispiel auf einmal in Garstedt einen Kriminalitäts-Hotspot geben. Da ist aber keiner. Ja, da hängen ein paar Jugendliche rum, natürlich. Und die sprechen halt kein Deutsch. Davon fühlen sich die Leute dann bedroht. Die werden aber nicht bedroht. Das ist der Unterschied. Und das ist echt schade, weil wir ein starkes Land sind. Durch die Presse geht: „Es ist alles schlimm, wir werden alle untergehen.“ Wir stagnieren, ja. Aber wir fallen nicht runter. Die Leute haben aber Angst vor dem Abstieg. Das ist das, was mich ärgert.
Wie ist für Sie die Arbeit im Bundestag?
Bengt Bergt: Wir haben eine privilegierte Rolle, so ehrlich müssen alle sein. Jeder möchte was von einem, das ist eine angenehme Position. Ich lerne jeden Tag sehr viel, ich kann aber auch sehr viel geben. Es gibt einen sehr, sehr niveauvollen Austausch auf einem absoluten Fachniveau. Das ist krass. Die Tiefe ist heftig. Und es ist einfach schön, wirklich was Konstruktives zu machen, wenn man weiß, wir haben uns jetzt hier geeinigt und wir können jetzt was machen, was das und das bewirken wird. Und dann guckt man später darauf und sagt, da ist es. Haben wir gemacht.
Wie haben Sie die Arbeit in der Ampel empfunden?
Bengt Bergt: Es kommt immer auf die jeweiligen Verhandlungspartner an. Da gibt es solche und solche. Ich habe immer wieder auch Argumente gehört, wo ich mir dachte, da habe ich noch gar nicht dran gedacht. Das stimmt. Gucken wir uns mal an. Und dann kann man gucken, ob es bekräftigt oder entkräftet wird und dann einigt man sich irgendwie. Und das kriegt man hin. Meistens geht es ja darum: Wie weit mache ich den Rahmen? Und darüber kann man immer reden. Wie viel Markt lasse ich zu? Wie viel Dogmatik packe ich rein? Wie viel Pragmatik packe ich rein? Das habe ich immer als sehr bereichernd empfunden. Oft nervt es, wenn man sich denkt, ich habe doch eigentlich die beste Idee von allen. Aber das denken ja alle drei, die da sitzen in der Ampel. Und dann muss man irgendwie zusammenkommen. Und das war auf Fachebene immer machbar. Auch mit der FDP, auch, wenn das jetzt verschüttet gegangen ist. Und das finde ich sehr schade. Es war ja machbar.
Wie bewerten Sie die Darstellung der Medien über die Arbeit der Ampel?
Bengt Bergt: Manche journalistische Leistungen finde ich mehr als fragwürdig und tendenziös. Insgesamt gibt es eine Diskursverschiebung nach rechts, die passiert auch durch die Konservativen. War 1933 auch so. Das Problem ist, dass durch diese Diskursverschiebung auf einmal radikale, menschenverachtende Sachen sag bar sind, die solche Personen legitimieren. Wir brauchen in diesem Zusammenhang auch mehr Zusammenhalt und Geschlossenheit im linken Spektrum, wenn es um Dinge geht, die von den Rechten und den Konservativen kommen.
Welche kommunikative Strategie gibt aus Ihrer Sicht dagegen?
Bengt Bergt: Nur mit Fakten dagegenzuhalten: Das reicht nicht. Das haben wir versucht, da müssen wir uns andere Dinge einfallen lassen. Ein Beispiel. Die demokratischen Fraktionen haben die stille Vereinbarung, dass, wenn die AfD redet, es keine Zwischenrufe bzw. Zwischenfragen gibt. Was ist passiert? Die AfD kann in Ruhe ungestört reden und füllt mit diesen Sequenzen ihre Social-Media-Accounts. Würden wir die Reden mit Zwischenrufen und -fragen unterbrechen, könnten sie die aber gar nicht verwenden. Dann wären sie nicht so stark. Ganz einfach. Am Ende aber bleibt: Wir müssen unsere Inhalte viel klarer und einfacher auf den Punkt bringen. Die meisten Leute wollen einfach einen emotionalen Halt, dass man weiß, okay, ich habe dich verstanden. Ich habe auch dein Grundproblem verstanden. Vielleicht ist jetzt nicht der richtige Moment für die Antwort, aber ich glaube, ich habe eine Idee. Und dafür ist oft die Zeit nicht. Und dann fängt man an, zu erklären. Keiner reißt dir die Heizung aus. Und keiner zwingt dich dazu, neben dem Windrad zu wohnen. Da gibt es eine Bürgerbeteiligung, da kannst du mitmachen. Und da sehe ich einen Mangel bei uns als Sozialdemokraten. Wir sind oftmals zu technisch unterwegs.
Ist die Kommunikation schwieriger geworden?
Bengt Bergt: Auf jeden Fall komplexer, die Welt ist kompliziert, es gibt meistens keine einfachen Antworten. Die Menschen sehen sich aber nach einfachen Antworten. Die sehen sich auch nach einem starken Führer. Also nicht im Sinne eines Hitler. Sondern sie sehen sich nach einer starken Führungsperson. Die jetzt auf den Tisch schaut und sagt, ist jetzt mal gut? So läuft der Laden aber nicht. Kann man machen, aber dann schlägt man mehr kaputt, als man generiert.
Sie sind in der ehemaligen DDR geboren und in einem SPD-Haushalt aufgewachsen. Wann hat sich Politik als ein Berufsfeld für Sie herauskristallisiert?
Bengt Bergt: Ehrlicherweise erst so zwei Wochen vor der Bundestagswahl 2021, da waren wir noch mitten im Wahlkampf. Wir haben richtig Vollgas gegeben, waren in einem kleinen Tunnel. Wir hatten ein historisches, großes Feuerwehrauto. Das hat Spaß gemacht, war wirklich cool. Dann sahen die Umfragen immer besser aus. Ich dachte, ey, was passiert, wenn das klappt? Weil ich ja allen gesagt hatte, Leute, ich trete da an. Wir gucken mal und alle schon, ey, wenn das klappt, Bengt, wir kennen dich. Wenn du was anpackst, dann klappt das meistens irgendwie. Ich hatte ja auch noch meine Band, die ich sehr vermisse. Ich habe wirklich seit drei Jahren kein Schlagzeug mehr gespielt. Und das fehlt mir unglaublich. Also die Kreativität, fünf Köpfe zusammenzustecken und dann mal was entstehen zu lassen, das ist so schön. Und dann hat das geklappt und das war ein toller Moment, war einer der schönsten Momente in meinem Leben, so einen Sieg zu erringen.
Wie war der Anfang in Berlin?
Bengt Bergt: Erst ging die große, weite Welt los, ich war ja komplett unbeleckt. Wir sind im Bundestag und dann steht auf einmal der zukünftige Bundeskanzler vor einem. „Moin! Und okay, was passiert hier?" Aber diese Anfangseuphorie ist schnell verflogen, dann kam der Angriff Russlands auf die Ukraine und dann war sehr, sehr schnell sehr viel Realität im Leben. Da mussten wir wirklich, wirklich heftig Gas geben. Ich habe von den Abgeordneten die meisten Gesetze verhandelt, 46 Stück, weil eben vor allem in den Energiethemen am meisten Krisenzeit angesagt war. Das habe ich meinem Team zu verdanken, ich habe tolle Leute um mich herum.
Vermissen Sie Ihre Zeit bei Ihrem alten Arbeitgeber?
Bengt Bergt: Nicht wirklich, aber nicht, weil ich den nicht mag, sondern weil das eine ganz andere Welt ist. Und diese Welt, in der ich mich jetzt bewege, gibt mir eine Menge. Und in Betriebsversammlungen, die sind immer schon krawallig, kann ich jetzt auch noch machen, ich nehme häufiger politischer Gast teil. Ich bin also gar nicht so weit weg. Was ich vermisse, ist meine Band. Es ist schön, sich einmal die Woche zu treffen. Und dummes Zeug zu erzählen. Und dann auch mal ein Bierchen trinken. Die Kreativität gibt mir sehr viel.
Was machen Sie heute zum Ausgleich?
Bengt Bergt: Ich gehe ins Gym. Das gibt mir eine ähnliche Entlastung. Mit cooler Musik auf den Ohren. Gewichte pumpen.
Vom Abi-, Mannschaftssprecher und Betriebsratsvorsitzenden zum Bundestagsabgeordneten: Haben Sie einen „natürlichen“ Führungsanspruch?
Bengt Bergt: Bei mir war es kein Führungsanspruch im klassischen Sinne. Denn Macher sind eigentlich etwas eigenbrötlerisch. Ich bin eher der Teamlead. Das hat etwas damit zu tun, dass ich mich unfassbar gerne mit Menschen umgebe. Am liebsten, wenn wir noch das Gleiche wollen, wie in der Gewerkschaft. Das war, glaube ich, schon immer da. Ich weiß nicht, woher es kommt. Pubertät ist meistens auch: „Lieber Kopf einziehen.“ Das kenne ich nicht, Kopf einziehen. Das war nie so meins.
Wenn es nicht klappt? Was würde das für Sie persönlich bedeuten?
Bengt Bergt: Es ist nach wie vor so, dass mein jetziges Leben auch sehr schön ist. (Lacht) Ich weiß zu schätzen, was ich schon bewegen darf politisch. Es ist aber auch eine Riesen-Ehre, so eine neue Aufgabe an die Hand gelegt zu bekommen. Das erfüllt mich natürlich mit ein wenig Stolz. Wenn es nichts wird mit dem Bundestag, dann hoffe ich, dass ich diesen Moment bewahren kann, an dem mir die Aufgabe der Bundestagskandidatur zugetraut wurde. Jetzt will ich den Wahlkreis auch gewinnen.
Herr Bergt, vielen Dank für das Gespräch.