Volt Deutschland ist Teil der europaweiten Bewegung Volt Europa. 2018 gründete ein kleines Team Volt Hamburg. Zwei Jahre später erreicht die Partei bei der Bürgerschaftswahl rund 1,3 Prozent – ein Achtungserfolg. Bei den Bezirkswahlen 2024 kam Volt in Altona sogar auf 5,6 Prozent, seitdem ist Patrick Fischer Mitglied in der Bezirksversammlung Altona. Gemeinsam mit Britta Peters ist Fischer jetzt Spitzenkandierender für die Hamburger Bürgerschaft 2025.
Im Interview spricht er über die Gründe, sich in der Politik zu engagieren, was er unter Druck in der Politik versteht und wie sich seine Partei von den anderen unterscheidet.
Das ist Patrick Fischer:
Jahrgang 1983, aufgewachsen in Süddeutschland, Schulleiter an einem Hamburger Gymnasium, Vater. Patrick Fischer ist Abgeordneter in der Bezirksversammlung Altona und Co-Fraktionsvorsitzender. Seine Schwerpunktthemen sind Mobilität und Bildung.
Gemeinsam mit Britta Peters ist Patrick Fischer Spitzenkandierender für die Hamburgische Bürgerschaft 2025. Foto: Volt Hamburg
Herr Fischer, was reizt Sie an der Politik?
Patrick Fischer: Ich möchte dazu beitragen, Probleme zu lösen, die es ganz offenkundig im Zusammenleben der Gesellschaft gibt. Denn die zentralen Konfliktlinien, die ich persönlich wahrnehme, haben sich in den vergangenen Jahren deutlich verschärft. Für mich ist das eine spannende, herausfordernde und persönlich sehr bereichernde Möglichkeit der Verantwortungsübernahme. Mein Interesse wecken vor allen Dingen die unterschiedlichen Vorstellungen der Problemlösung.
Warum sind Sie Politiker geworden?
Patrick Fischer: Seit zehn Jahren verschärfen sich die gesellschaftlichen Spaltungen. Der Brexit und diverse nationalistische und faschistische Bewegungen zeigen eine Renationalisierung politischer Interessen in den Parlamenten Europas, während die eigentlich wichtigen Herausforderungen der Klimakrise, der Migration, der Transformation der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes immer gravierender werden. Ich möchte zumindest ein Teil derjenigen Seite sein, die an Lösungen für die Probleme mitarbeitet, um Zuversicht für eine zukunftsorientierte Gesellschaft zu finden.
Warum engagieren Sie sich bei Volt und nicht bei einer der anderen Parteien?
Patrick Fischer: Mit Volt kam erstmals eine Bewegung auf, die konsequent verdeutlichte, dass nationalstaatliche Lösungsansätze für die großen Herausforderungen nicht ausreichen. Stattdessen braucht es grenzüberschreitende Zusammenarbeit auch in der Parteienlandschaft und eine Vision eines föderalen Europas, um eine Problembewältigung anzugehen. Volt verknüpft diese Vision für eine sozial-nachhaltige Zukunft Europas mit pragmatischen Lösungsansätzen. Dieser Ansatz überzeugt mich bis heute, wie kein anderer.
Gibt es weitere Unterschiede zu den anderen Parteien?
Patrick Fischer: Wir haben durch unsere vergleichsweise kleinen Strukturen ganz andere Herangehensweisen. Zum Beispiel haben wir bei der Aufstellung der Landeslisten für die Bürgerschaft ein demokratisches Punktesystem. Außerdem gibt es bei uns ein sehr enges Netzwerk der politisch aktiven Mitglieder, sodass jeder seinen Anteil am Workload, aber auch an der Effektivität der Partei hat. Jedes Mitglied kann sich mit eigenen Stärken an geeigneter Stelle einbringen, politische Vorstellungen in den Gestaltungsprozess einbringen und erfährt daher ein hohes Maß an Selbstwirksamkeit. Ganz neu ist die Idee der paneuropäischen Politik mit progressiver, evidenzbasierter und pragmatischer Ausrichtung.
Sie sind Lehrer, Politiker und haben Familie. Wie kriegen Sie diese drei Leben unter einen Hut?
Patrick Fischer: Es ist eine große Herausforderung. Die Parallelität des politischen Engagements in der Bezirksversammlung und der Veranstaltungen im Wahlkampf ist eine Arbeitsbelastung, die allerdings zeitlich absehbar ist. Ich habe das große Glück, dass mir mein Job als Schulleiter unglaublich Spaß macht, sodass das Arbeiten mir leichtfällt. Durch meinen Freund erhalte ich alle nötige Unterstützung und mein Sohn schafft die nötige Zerstreuung und Ablenkung von der komplexeren Außenwelt.
Wie viel Druck spüren Sie als Politiker in Hamburg und wie gehen Sie damit um?
Patrick Fischer: Ich bin mir nicht sicher, ob „Druck“ der richtige Begriff ist, um die Erwartungshaltungen aus allen Richtungen zu bezeichnen. Selbstverständlich spürt man die Verantwortung als Spitzenkandidat einer Partei, die sich seit den letzten Wahlen in einem Aufwind befindet, von der Presse als „Erfolgspartei“ deklariert wird, die aber gleichzeitig nicht die gleichen Mittel und Erfahrungswerte besitzt, die etabliertere Parteien haben. Meine Erwartung an mich selbst ist ebenso, dass ich sowohl professionell als auch authentisch und nahbar in meinem politischen Agieren bin.
Sie haben Wahlkampferfahrung und tragen bereits politische Verantwortung. Welchen Herausforderungen stehen Politikerinnen und Politikern in diesen wilden Zeiten besonders gegenüber?
Patrick Fischer: Viele Menschen haben den Glauben an die politische Wirksamkeit verloren: Sie sehen nicht, wie ihre Wahlentscheidung einen Unterschied macht für den Output des politischen Systems; sie nehmen nicht wahr, dass politische Akteure wirklich an Lösungen interessiert sind und fühlen sich deshalb nicht gut repräsentiert. Auf der anderen Seite stehen Parteien, die selbst schon jahrelange Regierungsverantwortung übernommen haben. Die sind sehr unter Druck, denn sie befürchten, bei den kommenden Wahlen weitere Mandate zu verlieren. Also werben sie um die Gunst der Wählerstimmen, indem sie die Ängste der Wählenden aufgreifen. Dies ist vollkommen legitim, wenn dabei Lösungen gesucht und präsentiert werden. In vielen Fällen werden jedoch Ängste instrumentalisiert, durch die eigene Wahlkampagne sogar verschärft und nur vordergründige, symbolische politische Maßnahmen ergriffen. Dies bereitet mir große Sorge, da das Umfeld der Angst zu Resignation und Stagnation führen kann. Es verschiebt den politischen Diskurs derart, dass Lösungsinteresse für die Zukunft ins Hintertreffen gerät. In dieser Gemengelage gilt es, Menschen Vertrauen in die politische Handlungsfähigkeit und in politisch Handelnde zurückzugeben. Als unverbrauchte, lösungsorientierte und auf demokratische Partizipation fokussierte politische Kraft sehe ich hier die besondere Verantwortung von Volt.
Welchen Einfluss hat das Aus der Ampel auf Ihren Wahlkampf in Hamburg?
Patrick Fischer: Da sehe ich gleich mehrere Aspekte: Die Parallelität der Wahlkämpfe erschwert den Fokus auf landespolitische Themen und somit den politischen Diskurs für eine Wahlentscheidung. Die Ampelparteien werden sicherlich versuchen, bundespolitische Streitigkeiten aus dem Wahlkampf in Hamburg herauszuhalten. Ob das gelingt, ist eine andere Frage. Das Ergebnis der Bundestagswahl im Februar kann sich auf die Wahlentscheidungen der Hamburger*innen auswirken. Außerdem wird die Wahlbeteiligung wahrscheinlich geringer ausfallen.
Was haben Sie persönlich beim Ende der Koalition gedacht?
Patrick Fischer: Ich war wenig überrascht, dass es zum Bruch der Koalition kam, da die Strategie der programmatisch immer weiter voneinander entfernten Parteien immer offensichtlicher geworden war. Ich hatte Befürchtungen, dass die Bundespolitik die Landespolitik überlagern könnte. Da wir in Zeiten der konstanten Disruptionen leben und da so unterschiedliche Variablen im Wahlkampf Einfluss nehmen können, kann der Einfluss der Parallelität nicht wirklich prognostiziert werden. Mir ist bewusst, dass wir als Volt mit unserer zukunftsorientierten Programmatik in beiden Wahlkämpfen auffallen werden.
Bundestagswahl Mitte Februar, kurz darauf Bürgerschaftswahl. Ist das eine Chance oder eine Herausforderung für Sie?
Patrick Fischer: Es kann eine Chance sein, wenn es uns gelingt, die Hamburgischen Themen von bundespolitischen Themen zu trennen. Wir freuen uns auf beide Wahlen und besonders auf den Abend des 2. März mit dem Einzug von Volt in das erste Landesparlament.
Müssen Sie zwei Wahlkämpfe bestreiten oder können Sie sich auf den Bürgerschaftswahlkampf konzentrieren?
Patrick Fischer: Es wird nicht vollkommen zu trennen sein. An den Wahlständen wird man sicherlich zu beiden politischen Ebenen angesprochen. Auf den Podien hingegen werden wir die Landespolitik fokussieren. Als kleine Partei sind wir als Mitglieder natürlich auch in beide parallele Wahlkämpfe eingebunden.
Es gab viele Stimmen, die die Bundestagswahl noch früher ansetzen wollten. Wie sehen Sie das?
Patrick Fischer: Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Ergebnis sich deutlich unterschieden hätte. Realistisch durchführbar war von Anfang an eine Wahl ab Mitte Februar. Dieser Termin konnte nun fast eingehalten werden.
Was erwarten Sie von den beiden Wahlen?
Patrick Fischer: Als Spitzenkandidierender für die Bürgerschaftswahl möchte ich mich auch lediglich dazu äußern: Wir haben bei der Bezirks- und Europawahl im Juni 2024 einen Riesenerfolg in Hamburg eingefahren und konnten 6 bzw. 7 Prozent der Wähler*innen für uns gewinnen. Seitdem haben wir unglaublich viel Zuspruch bekommen, unsere Mitgliederzahl hat sich mehr als verdoppelt und wir haben uns programmatisch und strategisch super auf den Wahlkampf vorbereiten können. Deshalb gehe ich fest davon aus, dass wir einen Erfolg im hohen einstelligen oder sogar bis in den zweistelligen Bereich erzielen können.
Wie sehen Ihre kommenden Wochen aus? Doppelt so viele Termine, wie vor dem Ampel-Aus?
Patrick Fischer: Selbstverständlich werden nach den Ferien im neuen Jahr gleich viele Wahlkampftermine stattfinden: Ich werde auf Podien diskutieren können, der Presse Rede und Antwort stehen dürfen, an Wahlständen mit Wähler*innen sprechen, beim Plakatieren helfen etc.
Wenn Sie öffentliche Auftritte zum Beispiel bei Info-Ständen haben: Was erleben Sie im Kontakt mit Bürgerinnen und Bürgern?
Patrick Fischer: Die Bürger*innen kommen weit überwiegend interessiert und aufgeschlossen auf uns zu und freuen sich, dass wir da sind. Viele kennen uns schon und sind neugierig bezüglich unseres Programms, geben uns Zuspruch für den Wahlkampf und fragen, wie sie unterstützen können. Sie möchten sich programmatisch und über unsere Wahlkampfvorhaben informieren. Ich schätze den Bürger*innenkontakt sehr, er motiviert mich und ich nehme in vielen Fällen neuen Input und Ideen mit.
Welche inhaltlichen Schwerpunkte legen Sie persönlich für Ihre Kandidatur?
Patrick Fischer: Ich möchte einen Beitrag dazu leisten, dass soziale Spaltungen in unserer Stadt überwunden werden und unsere Stadt lebenswerter und inklusiver wird. Lösungen braucht es hier in vielen Bereichen wie Wohnen, Arbeit oder der Gleichberechtigung. Mein Fokus liegt auf der Mobilität und der Bildung. Wir möchten ein ganzheitliches, gerechtes und zukunftsorientiertes Verkehrskonzept für unsere Stadt. Der öffentliche Raum und unsere Straßen werden immer noch zu einem großen Teil durch das Auto beansprucht. Wir möchten den Menschen mehr Raum einräumen durch eine gerechtere Aufteilung der öffentlichen Flächen. Mobilität mit dem Rad, zu Fuß oder mit dem ÖPNV sollen endlich attraktiver und schneller sein. Mit einer City-Maut möchten wir Autofahrende an den hohen Kosten für die von ihnen genutzte Straßeninfrastruktur beteiligen und eine Querfinanzierung hin zum Umweltverbund ermöglichen. Gleichzeitig wird die Verkehrsbelastung reduziert und die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum erhöht. Diese Veränderungen sind nicht nur ökologisch, sondern ebenso sozial nachhaltig, da Mobilität für alle leichter zugänglich wird, auch ohne Auto. Wir sehen dringenden Handlungsbedarf bei der Bildung, um unsere Kinder und unsere Stadtgesellschaft zukunftssicher zu machen. Es gibt zu viele Schüler*innen in Hamburg, deren Grundkompetenzen beim Lesen und in Mathematik nicht den Mindeststandards genügen und die soziale Herkunft bestimmt noch immer viel zu stark den Bildungserfolg. Unser Transformationsplan sieht massive Ausweitungen der Bildungsinvestitionen vor und einen Perspektivwechsel hin zu den individuellen Bedarfen der Kinder.
Was wünschen Sie sich für die nächsten Wochen für den Wahlkampf für Sie persönlich und für die Partei?
Patrick Fischer: Ich freue mich auf den sachorientierten Austausch mit allen anderen verfassungsfreundlichen Parteien. Ich wünsche mir, dass es uns als Partei gelingt, weiterhin an Reichweite und Zuspruch zu gewinnen. Wir möchten diesen Wahlkampf und die Bürgerschaft bereichern durch unseren konstruktiven Diskurs, pragmatische Lösungsansätze und unsere Vision für ein Zukunftsmodell für die Stadt und Europa. Ich bin zuversichtlich, dass unsere mutigen Ideen für die Zukunft unserer Stadt eine Plattform finden und ich bin mir sicher, dass diese bei den Bürger*innen auf fruchtbaren Boden stoßen werden.
Herr Fischer, vielen Dank für das Gespräch.