Der Hamburger Landesverband der Linken ist 2007 gegründet worden und seitdem durchgängig in der Hamburgischen Bürgerschaft vertreten. 2020 erzielte die Partei 9,1 Prozent der Stimmen (13 Abgeordnete). Wie im Bund wird der Wiedereinzug schwer, Umfragen sahen die Partei bei zuletzt um die sechs Prozent.
Im Interview spricht Marie Kleinert über ihre Beweggründe, sich in der Politik zu engagieren, einen Wahlkampf unter besonderen Herausforderungen und die Schwerpunkte ihrer Arbeit.
Das ist Marie Kleinert:
Jahrgang 1980, lebt in Hamburg-Altona und arbeitet als selbständige Tanzlehrerin. Die Ko-Vorsitzende der Partei engagiert sich seit vielen Jahren als politische Aktivistin für bezahlbaren Wohnraum. Marie Kleinert tritt auf Listenplatz 9 für die Wahl zur Hamburgischen Bürgerschaft an, ihr sind vor allem die Themen Wohnen, Stadt- und Erinnerungskultur, Sub- und Clubkultur und Sport wichtig.
Marie Kleinert kandidiert für die Hamburgische Bürgerschaft 2025. Foto: Die Linke
Was reizt Sie an der Politik?
Marie Kleinert:Um gesellschaftliche Verhältnisse zu ändern, muss man sich einmischen – in Bewegungen, Bürgerinitiativen, aber auch in Parlamenten. Wir haben eine Demokratie, die es zu verteidigen gilt, und ich fühle mich als Mensch in einer Gesellschaft mit verantwortlich, das zu tun.
Warum sind Sie Politikerin geworden?
Marie Kleinert: Vor einigen Jahren hätte ich daran noch nicht gedacht. Doch ich habe durch politischen Aktivismus und meine ehrenamtliche Tätigkeit in der Partei gemerkt, dass man durch Überzeugungsarbeit viel erreichen kann. Mir ist es wichtig, über gesellschaftliche Verhältnisse und politische Machtstrukturen zu reden. In der Bürgerschaft, also dem Hamburger Parlament, kann ich im Kollektiv mit meiner Partei für unsere Werte kämpfen.
Warum Die Linke und nicht eine andere Partei?
Marie Kleinert: Da gibt es viele Gründe. Was mich schlussendlich überzeugt hat, ist, dass Die Linke nicht käuflich ist. Die Linke kämpft für Ziele, ohne sich von der Lobby oder von Konzernen kaufen zu lassen. Keine andere Partei im Parlament ist so ehrlich – wir machen Politik für die Menschen, nicht für Geld. Die Linke Und noch etwas: Alle reden heute von der Verteidigung der Demokratie. Die Linke ist die einzige Partei, die nicht die menschenfeindlichen Ideen der Rechten reproduziert. Wenn wir von einer Brandmauer sprechen, kann sie nur die Linke sein. Sie steht nicht nur bei Protesten auf der Straße an der Seite aller Antifaschist*innen, sie ist auch im Parlament die einzige antifaschistische Stimme. Übrigens heißt Antifaschismus nichts anderes, als gegen Faschismus zu sein. Das ist kein Jugendclub oder eine Gangsterbande.
Was machen Sie beruflich?
Marie Kleinert: Ich habe mich beruflich treiben lassen und verschiedene solide Ausbildungen gemacht. Ich bin Kauffrau im Groß- und Außenhandel und habe Kommunikation studiert. Die meiste Berufserfahrung habe ich freiberuflich in der Filmproduktion und selbstständig als Tanzlehrerin und Eventmanagerin gesammelt. Politik hat mich schon immer interessiert. Aktiv geworden bin ich, weil ich das dringende Bedürfnis hatte, mich auszutauschen, nach Lösungen zu suchen und Dinge zum Besseren zu bewegen.
Wie bekommen Sie Beruf, Privatleben und die Politik unter einen Hut?
Marie Kleinert: Das frage ich mich auch manchmal. Es stört mich, dass meine Freundschaften teilweise darunter leiden, weil mir einfach die Zeit fehlt. Mir ist es aber auch wichtig, meine Sache gut zu machen, und ich weiß, dass mir die Menschen und insbesondere die, die mir nahe stehen, vertrauen und wissen, dass ich für sie da bin, wenn es brennt.
Was hat Sie zur Kandidatur für die Bürgerschaft bewogen?
Marie Kleinert: Für die Hamburgische Bürgerschaft bewerbe ich mich, weil Hamburg mir ans Herz gewachsen ist und ich sehe, dass hier einige Dinge aus dem Ruder laufen. Ich möchte mich für die Hamburgerinnen und Hamburger einsetzen. Ein gutes Leben für alle ist in Hamburg möglich, denn die Stadt ist reich. Wir haben die höchste Dichte an Millionär*innen in ganz Deutschland. Mit einer Umverteilung könnte man viel Elend und Armut bekämpfen.
Sie haben Wahlkampferfahrung und tragen bereits politische Verantwortung. Sind die Zeiten besonders herausfordernd für Politikerinnen? Wenn ja, was sind ihre größten Herausforderungen?
Marie Kleinert: Ich trage politische Verantwortung, allerdings bisher ausschließlich im Ehrenamt. Ich bin Ko-Vorsitzende des Bezirksverbandes Die Linke Altona. Hier haben wir schon andere Wahlkämpfe organisiert – immer gemeinsam. Unsere Wahlkämpfe sind weniger personenbezogen als die anderer Parteien. Trotzdem bewerbe ich mich jetzt um ein Direktmandat oder den Listenplatz 9 und kämpfe natürlich auch für personenbezogene Stimmen. Die Zeiten sind insofern besonders herausfordernd, als dass wir Kriege in Europa und auf der Welt haben, migrantische Hetze, auch aus der Mitte der politischen Landschaft, immer lauter wird und es für uns einen großen Kraftakt bedeutet, den Menschen die Angst zu nehmen und immer wieder zu sagen: Nur gemeinsam sind wir stark. Was wir brauchen, ist Solidarität statt Ausgrenzung und Hass. Die Menschen haben Angst und sind teilweise überfordert, suchen aber eigentlich nach Lösungen, die niemandem weh tun. Und die gibt es. Wir brauchen soziale Sicherheit und schnell greifende Integrationsmaßnahmen für Migrant*innen statt vermeintlicher Sicherheit durch Militärs und Abschiebungen.
Welchen Einfluss hatte die Ampel auf Ihren Wahlkampf in Hamburg?
Marie Kleinert: Die Ampel wirkt sich natürlich auch in den Ländern auf die politischen Bewegungen aus. Die Linke hat so viele Mitglieder wie nie zuvor. Die Mitte verliert, die Menschen wollen sich positionieren, sie wollen klare Linien statt schwammigem Hin und Her. Bei der Linken finden sie diese, weil wir glaubhaft und standhaft links stehen und wirkliche Verbesserungen für die Menschen schaffen. Gerade hat meine Partei zum Beispiel zwei kostenlose Apps herausgebracht, die den Menschen konkret das Geld für zu viel gezahlte Miete und Heizkosten zurückholt.
Was haben Sie persönlich beim Ende der Koalition gedacht?
Marie Kleinert: Es war abzusehen. Es ist traurig, dass es drei gewählte demokratische Parteien nicht geschafft haben, in einer Regierung Kompromisse zu finden. Ich habe auch gedacht, dass sich Deutschland das nicht noch einmal leisten kann. Die nächste Regierung muss aus den Fehlern lernen und die notwendigen politischen Veränderungen für eine sozial gerechte Politik herbeiführen. Das Wohl aller Menschen muss im Vordergrund stehen. Die Ampel hat es nicht geschafft, die Bürger*innen abzuholen.
Bundestagswahl, mitte Februar, kurz darauf Bürgerschaftswahl. Ist das eine Chance oder eher eine Herausforderung?
Marie Kleinert: Die Ergebnisse der Bundestagswahl werden sicherlich die Bürgerschaftswahl beeinflussen. Ob das gut oder schlecht ist, wird sich zeigen. Ich persönlich finde es bereichernd, dass in Hamburg gerade ein unglaublich großes Spektrum an politischen Debatten aufgemacht wird. Denn Landespolitik und Bundespolitik zusammen zu betrachten, erweitert die Diskussionen.
Müssen Sie zwei Wahlkämpfe bestreiten oder können Sie sich auf den Bürgerschaftswahlkampf konzentrieren?
Marie Kleinert: In meiner Doppelrolle als Vorsitzende der Partei in Altona und Kandidierende für die Bürgerschaft muss ich meine Kapazitäten für beide Wahlkämpfe einteilen. Glücklicherweise habe ich viele aktive Parteimitglieder und Sympathisant*innen an meiner Seite. Wir bilden ein großes Kollektiv und bestreiten viele Aufgaben gemeinsam. Für meine persönlichen Auftritte nehme ich mir Zeit für die Vorbereitung. Mein Wahlkampf ist Wahlkampf für die Partei, daher ist es auch selbstverständlich, dass ich mir die Zeit nehme.
Wie sehen Ihre kommenden Wochen aus? Doppelt so viele Termine wie vor dem Ampel-Aus?
Marie Kleinert: Auf jeden Fall sind es für mich mindestens doppelt so viele Termine. Ich kämpfe um ein Mandat für die Bürgerschaft. Viele Menschen haben das Bedürfnis, mich persönlich kennenzulernen und nach meinen Positionen zu fragen. Mir geht es auch darum, mit den Menschen im Austausch zu sein und mir für Gespräche Zeit zu nehmen. Das ist die Basis von Vertrauen und das möchte ich schaffen.
Es gab viele Stimmen, die die Bundestagswahl noch früher ansetzen wollten. Wie sehen Sie das?
Marie Kleinert: Aus Respekt vor den Wähler*innen hätte ich beide Wahltermine auf einen Tag gelegt. So müssen die Hamburger*innen nun zweimal hintereinander zur Wahlkabine. Diese Entscheidung des Senats kann ich nicht nachvollziehen.
Was erwarten Sie von den beiden Wahlen?
Marie Kleinert: Ich erhoffe mir in erster Linie eine hohe Wahlbeteiligung. Das ist nötig, damit die politischen Parteien gewählt werden, die von den meisten Menschen unterstützt werden.
Wenn Sie öffentliche Auftritte, zum Beispiel bei Infoständen, haben: Was erleben Sie im Kontakt mit Bürgerinnen und Bürgern?
Marie Kleinert: Wir sind ja die einzige Partei in Hamburg, die ganzjährig mit Infoständen auf der Straße ansprechbar ist. Das wird auch von den Bürger*innen gesehen. In letzter Zeit erlebe ich vor allem sehr viel Zuspruch und auch Dankbarkeit für unsere Standhaftigkeit. Die Gespräche verlaufen vielfältig. Man merkt die Unsicherheit und Sorgen, die viele Menschen mit sich tragen, aber auch, was ein einfaches Gespräch verändern kann und wie man Mut geben kann. Nicht selten passiert es, dass nach einem Gespräch noch mal eine E-Mail kommt oder sogar Eintritte in die Partei. Ich denke, Menschen wollen politisch sein, trauen sich aber oft nicht. Wenn man ihnen ein bisschen Mut zuspricht, kann man vieles bewirken.
Welche inhaltlichen Schwerpunkte legen Sie für Ihre Kandidatur?
Marie Kleinert: Seit vielen Jahren engagiere ich mich als politische Aktivistin für bezahlbaren Wohnraum. Der Mietendeckel für Hamburg ist, denke ich, die wichtigste sozialpolitische Forderung, die schnell umgesetzt werden muss. Zur Entwicklung der Stadt gehören aber auch dringend die Themen Verkehr, Stadtentwicklung und Kultur. Bei Kultur reden wir zum einen über Erinnerungskultur, auch als Kampf gegen den erstarkenden Faschismus. Und zum anderen die Erhaltung von Sub- und Clubkultur. Kultur ist das Herz der Stadt und die Basis zur Bildung von Demokratie. Es gibt noch andere Felder, die mich interessieren, die ich für den Wahlkampf aber nicht in den Vordergrund stelle. Das sind zum einen der Klimaschutz, der Tierschutz und die Drogen- und Suchtpolitik sowie der andauernde Kampf gegen patriarchale Systeme und deren Folgen.
Was wünschen Sie sich für die nächsten Wochen für den Wahlkampf, für Sie persönlich und für die Partei?
Marie Kleinert: Ich wünsche mir, dass dieser Wahlkampf innerhalb unserer Partei genauso weitergeht, wie er jetzt läuft: solidarisch, niemals allein, immer gemeinsam. Ich bin sehr dankbar und stolz auf unseren Zusammenhalt, trotz einiger Probleme und Schwierigkeiten, die es zu meistern gilt. Und natürlich wünsche ich mir, am Ende das Mandat zu gewinnen und gemeinsam mit der Fraktion Die Linke für eine solidarische Stadt Hamburg in der Bürgerschaft zu zu kämpfen.
Frau Kleinert, vielen Dank für das Gespräch.