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„Die Demokratie mitzugestalten – das ist spannend!“

„Wir müssen jetzt gleichzeitig ein Bürgerschaft- und ein Bundestagswahlprogramm vermitteln.
Das ist eigentlich unmöglich.“

Die FDP in Hamburg steht vor großen Herausforderungen. Bei der Bürgerschaftswahl 2020 scheiterte sie mit 4,97 Prozent knapp an der Fünfprozenthürde. Zurzeit liegt sie in Umfragen nicht viel höher. Daniel Oetzel kandidiert auf Listenplatz 6 der Landesliste sowie als Spitzenkandidat im aussichtsreichen Wahlkreis Altona-West. Im Interview spricht er über das Scheitern der Ampel, die Herausforderungen, die der verkürzte Bundestagswahlkampf mit sich bringt und was ihn am zeitraubenden Job eines Politikers reizt.

Das ist Daniel Oetzel:

1988 in Hamburg geboren, seit 2009 Mitglied der Freien Demokratischen Partei (FDP). Der verbeamtete Lehrer für Geschichte, PGW (Politik, Gesellschaft, Wirtschaft) und Biologie war von 2015 bis 2020 Abgeordneter in der Hamburgischen Bürgerschaft. Während seiner Amtszeit war er unter anderem parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion und setzte sich für Themen wie Bildung, Hochschulfinanzierung, Familie, Sport und eine liberale Gesellschaftspolitik ein.

Daniel Oetzel, FDP

Daniel Oetzel, Kandidat für die Hamburger Bürgerschaft 2025, beim Interview Ende 2024. Foto: Wallbrecher

Herr Oetzel, zurzeit erlebt die FDP eine Krise, die es wohl so in der Form noch nicht gegeben hat. Warum sind Sie noch in der FDP?

Daniel Oetzel: Ich bin der Meinung, dass nur die FDP das Individuum in den Mittelpunkt stellt. Es würde mir wirklich wehtun, wenn diese Sicht noch mehr ins Hintertreffen gerät. Man kann von der FDP halten, was man will, aber ich glaube, die FDP hat eine bereichernde Perspektive zu bieten.

Was reizt Sie an der Politik?

Daniel Oetzel: Ich war schon immer politkinteressiert und bereits im AStA (Allgemeiner Studierendenausschuss) aktiv. Von 2015 bis 2020 war ich Abgeordneter, das war für mich super spannend und bereichernd, für mich ganz persönlich, denn ich bin auch generell Demokratie-interessiert. Diese ganzen Abläufe, wie kommt ein Haushalt zustande, das mitgestalten zu können, ist faszinierend. Wenn man an parlamentarischer Arbeit Interesse findet, ist es unglaublich schwer, sich davon wieder zu lösen.

Welchen Einfluss hat das Aus der Ampel auf Ihren Wahlkampf?

Daniel Oetzel: Ich bin schon seit zehn Jahren im Kreisvorstand, aber so was haben wir noch nicht erlebt: Wir spüren ein großes Interesse, eine vergleichbare Eintrittswelle hatten wir, als wir aus dem Bundestag geflogen sind und dann Christian Lindner Bundesvorsitzender wurde. Und das ist jetzt aber, glaube ich, die zweitgrößte Welle. Außerdem nehme ich persönlich während unserer Infostände wahr, dass es bei den Diskussionen mit den Leuten nicht darum geht, ob Scholz, Lindner, die FDP, oder die Grünen schuld sind. Die Leute wollen mit uns genau gar nicht darüber sprechen, die sind einfach nur dankbar, dass es vorbei ist. Das hat mich selber überrascht.

Was haben Sie persönlich beim Ende der Koalition gedacht?

Daniel Oetzel: Ich war am Anfang ein ganz großer Freund der Ampel und glaube, dass die erste Ampelhälfte besser war als die zweite. Zum Ende hatte ich mehr und mehr den Eindruck, dass alle Beteiligten insgesamt unzufrieden mit der Entwicklung sind, wie sich so die allgemeine politische Lage entwickelt und die Beliebtheit der Regierung und mit dem, was man noch schaffen kann. Ich hatte auch das Gefühl, alle wünschten sich die Bundestagswahl herbei. Entsprechend motiviert bin ich nach dem Aus zu einem Infostand bei uns im Hamburger Westen gegangen, weil es eine Lage gab, über die man reden konnte. Ich war mir zwar nicht sicher, ob das positiv oder negativ insgesamt gesehen wird, aber es würden sicher mal wieder ein paar interessante Gespräche dabei sein. Man würde mal wieder über irgendwas reden, außer es ist alles so ätzend und die FDP oder die Grünen, die kann ich nicht mehr sehen und so. Das hing mir ehrlicherweise alles zum Hals raus. Ich finde, das Ende der Ampel hat eine Vitalisierung der Lage herbeigeführt, die mich auf jeden Fall motiviert, Politik zu machen und die Leute offensichtlich auch, denn sonst würden sie nicht in die FDP eintreten.

Bundestagswahl Mitte Februar, kurz darauf Bürgerschaftswahl. Ist das eine Chance oder eine Herausforderung für Sie?

Daniel Oetzel: Eher eine Chance würde ich sagen. Die Herausforderung besteht natürlich darin, als Hamburger Partei durch den Bundestagswahlkampf durchzudringen – mit unseren Hamburger Inhalten. Wir müssen jetzt gleichzeitig ein Bürgerschaft- und ein Bundestagswahlprogramm vermitteln. Das ist eigentlich unmöglich. Die allermeisten lesen wahrscheinlich höchstens eins, wenn überhaupt. Und wir mussten, das darf man auch nicht unterschätzen, in der Kürze der Zeit rechtssicher eine Kandidatenaufstellung auf die Beine stellen. Landesweit, in jedem Wahlkreis. Die Bundeswahlleiterin, als sie sagte, man darf auch nicht alles überstürzen, konnte ich schon verstehen. Das haben wir jetzt aber hinbekommen und sind personell sehr gut vorbereitet.

Es gab viele Stimmen, die die Bundestagswahl noch früher ansetzen wollten. Wie sehen Sie das?

Daniel Oetzel: Das ist schwierig. Auf der einen Seite wollen wir eine Regierung, die möglichst demokratisch legitimiert ist. Aber auf der anderen Seite kann die Regierung ja demokratisch nur legitim sein, wenn sie auch in einer ordentlichen Wahl ins Amt gehoben wurde. Und wenn wir jetzt eine Wahl machen und im Laufe des nächsten Jahres kommen irgendwelche Wahlzettel oder Aufstellungsfehler: Wie sehr hilft das denn der Demokratie in Deutschland? Also gar nicht. Im Gegenteil, das schwächt ja immer mehr das Vertrauen in Institutionen. Deshalb ist es schon wichtig, dass dieses vordergründig eher langweilige Arbeiten im Maschinenraum ordentlich gemacht wird.

Ist das für eine kleine Partei, die nicht in der Bürgerschaft ist, auch eine finanzielle Frage, den Wahlkampf bestreiten zu können?

Daniel Oetzel: Es ist schon üblich, dass die vorderen Kandidaten sich am Wahlkampf auch finanziell beteiligen. Wir bekommen momentan, das erlebe ich auch zum zweiten Mal überhaupt, dass die Spender aktiv bei uns anrufen. Die Spendenbereitschaft ist sehr hoch. Das Geld können wir aber auch gut gebrauchen, denn der Doppelwahlkampf ist auch doppelt teuer.

Wie steht es um Sie persönlich, hatten Sie Ambitionen, für den Bundestag zu kandidieren?

Daniel Oetzel: Nein, nein, das kann ich eindeutig beantworten. Ich habe schon während meiner ersten Bürgerschaftsperiode und auch darüber hinaus und davor und danach und so weiter gesagt, dass mein politischer Fokus Hamburg ist. Perspektivisch könnte das vielleicht irgendwann interessant werden, aber momentan habe ich einen anderen Fokus.

Bundestagswahl und Bürgerschaftswahl laufen parallel. Was bedeutet das für die Kampagne Ihrer Partei in Hamburg?

Daniel Oetzel: Diese beiden Kampagnen, die gerade parallel entwickelt werden und dann in Hamburg parallel auf die Straße gehen, müssen voneinander so abgrenzbar sein, dass den Leuten klar wird, wir haben eine Bürgerschaftswahl und eine Bundestagswahl mit jeweils unterschiedlichen und eindeutig zuordnerbaren Kandidatinnen und Kandidaten. Das ist eine sehr große Herausforderung.

Haben Sie Einfluss auf die Kampagnen?

Daniel Oetzel: Nein, die Abstimmung findet vor allem zwischen Agentur, Landesvorsitzenden und Spitzenkandidaten statt. Da habe ich in der Frühphase keinen Einfluss drauf. Ich kann das verstehen, dass manche Kandidierende gerne mehr machen würden, aber eben auch nur auf einer gewissen Ebene. Ich weiß, warum ich erst zu einem späteren Zeitpunkt beteiligt werde und ich kann das gut nachvollziehen. Man kann nicht mit so vielen Leuten auf so was gucken, wenn man nicht die Wirkung aufgeben will, würde ich sagen. Deshalb ist das Teil einer professionellen Kampagnenvorbereitung. Dafür muss es natürlich auch besonders gut werden. Wenn es schlecht wäre, dann zeigen alle mit dem Finger in dieselbe Richtung und dann wäre es natürlich auch richtig bitter. Die FDP hat in den vergangenen Jahren ziemlich oft gut gelegen mit ihren Kampagnen. Finde ich jedenfalls. Und deshalb habe ich da ein relativ großes Vertrauen, dass das was wird.

Keine Skepsis?

Daniel Oetzel: Bisher haben die Kampagnen immer zu mir gepasst, aber Sie haben natürlich recht, es kann natürlich passieren, dass dabei was rauskommt und ich denke: „Was ist das?“ Aber da das in den letzten Jahren nicht so war, bin ich jetzt mal vorsichtig optimistisch, dass das wieder auch passt, weil wir da doch immer relativ interessante Aspekte hatten. Also nicht so dieses Standardplakat, irgendwie Schwarz-Rot-Gold, und dann irgendwie, was die CDU hat, so ein verblassenes Türkis, oder irgendein nett lächelnder Typ da drauf. Allein schon, dass wir 2001 auch immer Magenta als zusätzliche Farbe bekommen haben. Man mag ja die Farbe gut finden oder nicht, aber die Möglichkeiten, die das gibt, ein Plakat anders zu gestalten, das macht schon tatsächlich einen Unterschied.

Was ist die größte Herausforderung für so eine Kampagne?

Daniel Oetzel: Ob über Inhalte gesprochen wird oder nur über Personen. Denn das führt zur Boulevardisierung der politischen Lage. Alles wird immer plakativer, kürzer, unzusammenhängender und schlaglichtartiger. Und so werden die ganz großen Linien nicht mehr sichtbar oder deutlich. Es ist doch auch etwas fragwürdig, dass der Wahlerfolg mit davon abhängt, ob jemand in irgendeiner Agentur, der überhaupt nicht Teil des politischen Raums ist, eine besonders kreative Idee hatte. Das finde ich mindestens diskutabel.

Was erwarten Sie von den beiden Wahlen?

Daniel Oetzel: Nach dem Aus der Ampel sprach mich ein paar Tage später in einem anderen Kontext jemand an und sagte: „Wir haben ja so Sorgen, dass das Land unregierbar und die AfD immer stärker wird.“ Da habe ich gemerkt, dass ich diese Sorge der Unregierbarkeit gar nicht habe. Wir werden mehrere klare Mehrheitsmöglichkeiten nach der Wahl haben sowohl auf Bundesebene als auch in Hamburg. Die AfD wird am Ende um die 20 Prozent bekommen. Ich glaube und hoffe, dass die AfD sich mehr und mehr dem Maximum ihres Wählerpotenzials bundesweit annähert. Und dass da einfach nicht mehr geht. Aber klar, ich kann mich auch irren, ich hoffe, das wird nicht der Fall sein. Natürlich ist es grundsätzlich besorgniserregend, dass die AfD bei solchen Werten steht, aber das ist ein ganz anderes Thema.

Wie sehen Ihre kommenden Wochen aus? Doppelt so viele Termine, wie vor dem Ampel-Aus?

Daniel Oetzel: Nee, mein Kalender war eh schon voll. (Lacht) Jetzt gibt es noch weniger Spielraum. Ich muss priorisieren, irgendwann gucke ich auf die Uhr und sage, also jetzt reicht es wirklich, jetzt ist die Familie dran. Da muss ich glaube ich auch selbstkritisch sagen, dass ich zurzeit zu viel mache. Vollzeitstelle, Vater, Kreisvorsitzender, im Bezirksvorstand und jetzt bald wieder im Landesvorstand und Spitzenkandidat im Westen und auf der Landesliste und Vizepräsident des Hamburger Sportbundes. Da bin auch selber schuld. Die nächsten Jahre muss ich glaube ich mal sehen, wie ich da mal ein bisschen abschichte. (Schmunzelt) Vor allem, wenn ich wieder in die Bürgerschaft gewählt werde, wäre dieses Amt natürlich prioritär.

Wie organisieren Sie gleichzeitig zwei Wahlkämpfe?

Daniel Oetzel: Das ist schwierig. Für die Bürgerschaftswahl habe ich eine viel persönlichere Verantwortung, weil ich ja selber Kandidat bin. Auch auf einem Platz, bei dem ich vielleicht nicht über die Kampagne mit entscheide, aber wo ich ja doch einige der großen Politikthemen verantworte. Bei der Bundestagswahl als Kreisvorsitzender kann ich auch sagen, okay, für diesen Aspekt ist jetzt mein Stellvertreter zuständig oder wer von den Beisitzern, also von den weiteren Kreisvorsitzungsmitgliedern kann dann jetzt hier vielleicht mal ein bisschen mehr machen. Da muss ich halt vor allem dafür sorgen, dass das läuft. Eine persönliche Verantwortung habe ich aber viel mehr in dem Bürgerschaftswahlkampf. Da liegt auch eindeutig mein Fokus.

Bildung ist Ihr Schwerpunkt. Dieses Thema scheint weder lokal noch im Bund eine große Rolle zu spielen. Werden Sie sich andere Themen suchen?

Daniel Oetzel: Die naheliegende Antwort wäre sicher: Ja, ich suche mir andere Themen. Aber das mache ich nicht. Ich mache das, was ich kann, was ich auch authentisch vertreten kann, wo ich auch meine politischen Ziele habe. Und das ist die Bildungspolitik, Wissenschaft, Sport natürlich auch. Ich mache Politik zu Themen, in denen ich mich mit gutem Gewissen kompetent bewegen kann.

Wie funktioniert das nach einer Wahl, wie werden Gewählte dann beispielsweise Sprechende für bestimmte Themen?

Daniel Oetzel: Wenn eine Fraktion zum ersten Mal zusammentritt, werden diese Positionen verteilt. Einige Themen sind da in verschiedenen Parteien natürlich beliebter als andere, keine Frage. Und da finde ich: Mit welcher Legitimation sollte ich in die Bürgerschaft kommen, mich dann da hinstellen und sagen, jetzt müsst ihr mich zum wirtschaftspolitischen Sprecher machen. Umgekehrt: Wenn jemand anderes kommt und sagt, jetzt will ich bildungspolitischer Sprecher werden, da würde ich mich dann wundern.

Sie machen mit der FDP regelmäßig Info-Stände, was erleben Sie dort?

Daniel Oetzel: Wir wollen natürlich in der Stadt präsent sein und mit den Leuten ins Gespräch kommen. Aber wir wollen auch ein Gefühl kriegen, wie die Stimmung ist. Natürlich sind wir auch ansprechbar für Fragen, aber wir versuchen auch, dieses gesellschaftliche Grundrauschen mitzubekommen und ein paar relevante Punkte reinzusetzen. Dazu sprechen wir die Leute auf der Straße aktiv an, das ist die Hauptarbeit. Leute, die von sich aus an den Infostand kommen, sind leider oft Leute, die uns richtig schlimm finden und uns beschimpfen. Oder Leute, die uns richtig, richtig gut finden und uns dann nochmal in unserem Engagement bestärken. Das motiviert natürlich ungemein, gerade dann, wenn der Wind insgesamt mal eher von vorne kommt.

Wie tief gehen denn diese Gespräche?

Daniel Oetzel: Die Leute, die an den Stand kommen, aber noch nicht wissen, was sie wollen und ehrlich Interesse haben an einer tiefergehenden fachlichen Auseinandersetzung, die gibt es eigentlich eher selten. Das sind die besten Gespräche, weil es dann wirklich interessant wird.

Was wünschen Sie sich denn für die nächsten Wochen für sich persönlich?

Daniel Oetzel: Also ich würde mir wirklich wünschen, dass eine liberale Stimme weiter prominent im Bundestag vertreten ist. Und ich würde mir wirklich für meine Partei wünschen, hier auch vor Ort, dass wir nicht noch eine Legislaturperiode nicht in Fraktionsstärke in der Bürgerschaft sind. Denn so ist politische Arbeit wirklich sehr erschwert. Fahren Sie mal durch Hamburg und gucken Sie mal nach FDP-Plakaten. Die finden Sie sehr viel weniger, weil es eben derzeit sehr viel weniger FDP-Abgeordnete gibt. Und das ist schon ein krasser Nachteil in der öffentlichen Wahrnehmung. Und unabhängig, wie es für mich ausgeht, wünsche ich mir sehr, sehr stark, dass die FDP im Bund, aber natürlich auch vor allem in Hamburg, die 5-Prozent-Hürde knackt. Das wäre mir wirklich wichtig.

Herr Oetzel, vielen Dank für das Gespräch.

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