Im Bund hat es die SPD schwer, in Hamburg sind die Umfragen deutlich besser. Als Wahlkreisabgeordnete arbeitet Philine Sturzenbecher in mehreren Ausschüssen an Lösungen für Hamburg. Ihre Themenschwerpunkte sind Wissenschaft und Forschung, Wirtschaft und Innovation, Umwelt, Klima, Energie und Schule.
Im Interview spricht Philine Sturzenbecher über ihre Beweggründe, sich in der Politik zu engagieren, einen Wahlkampf unter besonderen Herausforderungen und ihre Wünsche für den Wahlausgang.
Das ist Philine Sturzenbecher:
Jahrgang 1981, in Hamburger geboren, verheiratet, eine Tochter im Grundschulalter. Nach dem Studium (Politikwissenschaft, Soziologie und Jura) absolvierte sie ein Volontariat und arbeitete als Redakteurin und Projektleiterin. Seit der Bürgerschaftswahl im Februar 2020 vertritt Philine Sturzenbecher die westlichen Stadtteile Hamburgs in der Hamburgischen Bürgerschaft.
Philine Sturzenbecher sitzt seit 2020 in der Hamburgischen Bürgerschaft. Foto: Michael Zapf
Was reizt Sie an der Politik?
Philine Sturzenbacher: Das Gestalten und das Suchen nach den besten Lösungen für die Bürgerinnen und Bürger, der Dialog mit vielen verschiedenen Menschen und die Möglichkeit immer etwas Neues zu lernen.
Warum sind Sie Politikerin geworden?
Philine Sturzenbacher: Politik hat mich schon seit meiner Schulzeit interessiert, jedoch konnte ich mir damals nicht vorstellen, Politikerin zu werden. Vielmehr wollte ich über Politik berichten und habe – mit dem Wunsch später journalistisch tätig zu sein – Politikwissenschaft studiert. Anschließend habe ich ein Volontariat absolviert. Nach meiner Rückkehr nach Hamburg stellte ich fest, dass es in meiner Partei wenig aktive Politikerinnen mit kleinen Kindern gibt und somit auch die politischen Entscheidungen oftmals die Bedürfnisse und Lebensrealitäten von jungen Familien wenig berücksichtigen. Das hat mich dazu gebracht, dann doch die Seiten zu wechseln und vom Berichten und Beobachten hin zum aktiven Handeln zu kommen.
Warum engagieren Sie sich bei der SPD und nicht bei einer der anderen Parteien?
Philine Sturzenbacher: Soziale Gerechtigkeit, Chancengleichheit, Vielfalt und gesellschaftliche Verantwortung waren für mich schon immer wichtig und für diese wichtigen Fragen steht die SPD. Daher bin ich bereits kurz nach dem Abitur in die Partei eingetreten. Ich hatte bereits einige Zeit überlegt und immer wieder mit meinem Nachbarn Paul-Otto Vogel (Senatssprecher a. D.) diskutiert und mit dem Aufkommen der Schill-Partei dann erkannt, dass Engagement in einer Partei wichtig ist, um ausgrenzenden Tendenzen entgegenzuwirken. Fehlende Vorbilder und so manche politische Entscheidung haben mich dann dazu bewogen vom Kommentatorenposten aufs Spielfeld zu wechseln.
Sie haben Politik studiert, an der Uni und im Verlagswesen gearbeitet. Seit 2020 sind Sie Wahlkreisabgeordnete. Wie kriegen Sie alle ihre politischen, beruflichen und privaten Aktivitäten unter einen Hut?
Philine Sturzenbacher: Als Redakteurin arbeite ich aktuell nicht mehr, denn meine freiberufliche Tätigkeit und das Mandat haben sich häufig überschnitten. Da waren Deadlines kaum zu halten und das sorgt auf allen Seiten für Unzufriedenheit. Mittlerweile arbeite ich einige Stunden in der Woche in einem Maklerbüro, was mit meinen Arbeitsanforderungen als Abgeordnete besser vereinbar ist. Aber dennoch ist es eine große Herausforderung den Spagat zwischen allen Bereichen zu finden und besonders auch meiner Tochter gerecht zu werden. Alles in allem muss man viel organisieren, mit wenig Schlaf auskommen und sehr flexibel sein. Manchmal auch Grenzen setzen, um private Familienzeit zu ermöglichen.
Was hat Sie zur Kandidatur für die Bürgerschaft bewogen?
Philine Sturzenbacher: Der Wunsch nach einer stärkeren Ausrichtung der Politik auf Familien, die bessere Repräsentanz von Frauen und Bildungsgerechtigkeit. Und natürlich auch viele Personen um mich herum, die mir zugetraut haben, eine engagierte Vertretung ihrer Interessen und des Hamburger Westens im Rathaus zu sein.
Sie haben Wahlkampferfahrung und tragen bereits politische Verantwortung. Sind die aktuellen Zeiten besonders herausfordernd für Politikerinnen und Politiker? Wenn ja: Was sind Ihre größten Herausforderungen?
Philine Sturzenbacher: Ja, es ist eine herausfordernde Zeit. Ich bemerke in Gesprächen eine große Verunsicherung und Zukunftsangst. Wir befinden uns ja nach der Coronapandemie, dem Überfall Russlands auf die Ukraine und der Energiekrise in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage. In Hamburg nicht so, wie im Bund, aber dennoch führt das zu Sorgen. Und so kommt es häufiger mal zu Frust, der sich am Infostand entlädt. Dann muss man ins Gespräch kommen und auf Augenhöhe sprechen, Ängste ernst nehmen, aber auch erklären und manches auch berichtigen. Das kostet Zeit, lohnt sich aber ungemein.
Welchen Einfluss hatte das Aus der Ampel auf Ihren Wahlkampf in Hamburg?
Philine Sturzenbacher: Wir müssen nun zwei Wahlkämpfe fast parallel führen – das ist schon anstrengend. Und die öffentliche Wahrnehmung der SPD und unseres Kanzlers Olaf Scholz ist deutlich negativer als die durchaus positive Wahrnehmung der Arbeit des Ersten Bürgermeisters Peter Tschentscher, seines Senates und der Bürgerschaft. Hier müssen wir viel darauf hinweisen, dass wir in Hamburg vieles gut machen und die Stadt mit der SPD gut regiert wird.
Was haben Sie persönlich beim Ende der Koalition gedacht?
Philine Sturzenbacher: Ich war auf der einen Seite erleichtert, weil sich auch bei mir an vielen Stellen Frust aufgebaut hatte. Auf der anderen Seite habe ich schon etwas besorgt auf die möglicherweise parallel stattfindenden Wahlen geschaut. Insgesamt hätte ich mir gewünscht, dass die Koalitionspartner – insbesondere die FDP-Minister – sich etwas kompromissbereiter und lösungsorientierter gezeigt hätten. Politik lebt vom Kompromiss, aber man muss auch dazu bereit sein, um das beste für die Bürgerinnen und Bürger herauszuholen. Und viele gute Dinge sind nun nicht mehr auf den Weg gebracht worden. Das ist wirklich bedauerlich.
Bundestagswahl Mitte Februar, kurz darauf Bürgerschaftswahl. Ist das eine Chance oder eher eine Herausforderung?
Philine Sturzenbacher: Beides denke ich. Die Herausforderung habe ich ja bereits beschrieben. Hinzu kommt, dass auch eine gewisse Wahlmüdigkeit aufkommen kann, wenn man gleich eine Woche später noch einmal an die Wahlurne gebeten wird. Aber es ist vielleicht auch eine gute Chance, dass manch unentschlossene Wählerin oder Wähler noch einmal genau überlegt – je nachdem wie dann die Bundestagswahl ausgegangen ist – stabile und demokratische Verhältnisse herbeizuführen.
Müssen Sie zwei Wahlkämpfe bestreiten oder können Sie sich auf den Bürgerschaftswahlkampf konzentrieren?
Philine Sturzenbacher: Maßgeblich konzentriere ich mich auf die Bürgerschaftswahl, denn hier kandidiere ich für meinen Wahlkreis auf dem ersten Platz und das sehe ich auch als besondere Verpflichtung. Aber ich unterstütze natürlich auch unsere Bundestagskandidatinnen und -kandidaten – und besonders unseren Altonaer Wahlkreiskandidaten Sören Platten nach Kräften.
Wie sehen Ihre kommenden Wochen aus? Doppelt so viele Termine, wie vor dem Ampel-Aus?
Philine Sturzenbacher: Ja, das kommt hin. Aber in Wahlkämpfen mobilisiert man erstaunliche Kräfte – sowohl körperlich als auch mental. Und es ist schön mit so vielen Menschen in den Austausch zu kommen und für Politik und die besten Lösungen zu werben.
Es gab viele Stimmen, die die Bundestagswahl noch früher ansetzen wollten. Wie sehen Sie das?
Philine Sturzenbacher: Das wäre meines Erachtens nicht gut gewesen. Schon jetzt ist es alles sehr knapp und die Menschen brauchen auch ausreichend Zeit, um sich zu informieren. Aber auch ganz praktisch und verfassungsrechtlich hätte eine frühere Wahl zu Problemen geführt.
Was erwarten Sie von den beiden Wahlen?
Philine Sturzenbacher: Als SPD-Politikerin natürlich ein gutes Ergebnis für meine Partei, wovon ich in Hamburg etwas stärker ausgehe als in Berlin. Ansonsten hoffe ich auf eindeutige Mehrheiten, eine gute Wahlbeteiligung und ein starkes Votum gegen rechts.
Wenn Sie öffentliche Auftritte zum Beispiel bei Info-Ständen haben: Was erleben Sie im Kontakt mit Bürgerinnen und Bürgern?
Philine Sturzenbacher: Überwiegend viel Diskussionsfreudigkeit und oftmals auch Wohlwollen und Respekt dafür, den Job als Politikerin zu machen. Das tut gut und freut mich sehr. Manchmal, aber das ist wirklich selten, sind Bürgerinnen und Bürger sehr aufgebracht und zuweilen aggressiv. Dann muss man ruhig bleiben, auch wenn´s persönlich manchmal schwerfällt. Besonders wenn es sich um Beleidigungen, Verschwörungsmythen oder rechtes Gedankengut geht.
Welche inhaltlichen Schwerpunkte legen Sie persönlich für Ihre Kandidatur?
Philine Sturzenbacher: Als Wissenschaftspolitikerin möchte ich Wissenschaft und Wirtschaft noch enger zusammenbringen. Natürlich auch im Umfeld der ScienceCity Bahrenfeld, die in unserer Nachbarschaft im Entstehen ist. Mir ist es aber auch wichtig, dass wir die Klimawende vorantreiben und alle Menschen dabei mitnehmen. Das bedeutet auch, dass die Maßnahmen ausgewogen und sozial gerecht sein müssen, um nicht abzuschrecken oder zu überfordern. Und drittens liegen mir unsere Schulen und Bildung sehr am Herzen. Hier setze ich mich für die Verbesserung der Qualität der Schulen und des Unterrichts ein. Denn eine gute Bildung ermöglicht später eine gute Ausbildung oder Studium für ein selbstbestimmtes Leben.
Was wünschen Sie sich für die nächsten Wochen für den Wahlkampf für Sie persönlich und für die Partei?
Philine Sturzenbacher: Ich wünsche mir für meine Partei, dass die guten und klug entwickelten Konzepte und die hervorragenden Kandidatinnen und Kandidaten die Menschen überzeugen können. Für mich persönlich wünsche ich mir, dass weiterhin viele Bürgerinnen und Bürger den Dialog suchen und mit mir ins Gespräch über Inhalte kommen. Uns allen aber auch starke Abwehrkräfte, ein wenig Gleichmut und viel Kraft, um in dieser intensiven Zeit auch ein wenig über sich selbst herauszuwachsen.
Frau Sturzenbecher, vielen Dank für das Gespräch.